Dennis Vogtmann, Sicherheitsingenieur:
- "Krebserregend ist Holzstaub immer."
- "Arbeitsschutz und in diesem Fall auch der Schutz vor Holzstaub ist nicht nur eine Ausgabe, sondern es rechnet sich am Ende."
- "Wir haben Studien, die ein 27-fach erhöhtes Risiko nachweisen konnten, an Nasenkrebs zu erkranken."
"Ein 27-fach erhöhtes Risiko für die Erkrankung an Nasenkrebs"

“Man muss sich an den Kopf fassen! Da sucht man bei diesem extremen Mangel an Fachkräften einen neuen Mitarbeiter, findet ihn endlich, bietet ihm ein tolles Gehalt und viele Vergünstigungen, und dann fragt er, ob es denn auch Nachteile gibt, und man sagt ihm: “Nein, gar nichts – außer, dass man 27-mal häufiger an Nasenkarzinom erkrankt und wahrscheinlich auch Asthma bekommt!” Der Unternehmer aus der Holzbranche war an diesem letzten Tag der LIGNA 2023 beim Podium über Holzstaub und gesundheitliche Langzeitfolgen, und ist direkt danach zum Messestand von Euromate gekommen. “Sagen Sie mir, was ich tun kann!”
Gute 20 Minuten vorher war er noch überzeugt, dass es für ihn keinen Grund gibt, Staub zu reduzieren. “Die Studien, die Herr Vogtmann zitiert hat, haben mir die Augen geöffnet!”
Warum liegen die Grenzwerte der Staubbelastung draußen so viel niedriger als die für Arbeitsstätten?
Warum sind die Grenzwerte für Staubbelastungen im Freien – nach den neuesten Empfehlungen der WHO – so viel niedriger als die für Innenräume, konkret für Arbeitsplätze in der holzverarbeitenden Industrie? Mit dieser Frage an Dennis Vogtmann, Sicherheitsingenieur, kommt die Diskussion gleich zum Kern der Sache. “Die WHO hat Grenzwerte herausgegeben. Sie sagt, dass der Grenzwert für die Staubbelastung im Freien – wir sprechen von außen – 50 Mikrogramm pro Kubikmeter nicht überschreiten sollte”, erklärt Vogtmann. “In Deutschland haben wir die Grenzwerte aus der TRGS 553 Holzstaub, die einen Grenzwert für Innenräume während der Arbeit von 2000 Mikrogramm vorschreibt, gerechnet auf acht Stunden. Das heißt, wir haben auf der einen Seite die WHO, die die Gefährdung durch Stäube ganz klar benennt und sagt: Im Freien sollten 50 Mikrogramm nicht überschritten werden, und die deutsche Regelung, die uns aber 2000 Mikrogramm in Innenräumen erlaubt. Das ist eine sehr fragwürdige Bewertung, denn wir haben es hier mit Menschen zu tun, die mehrere Stunden in geschlossenen Räumen arbeiten und damit auch der Gefahr, dem Risiko von Staub, in diesem Fall Holzstaub, ausgesetzt sind.”
Dennis Vogtmann hat sich durch die wichtigsten Studien zum Thema Holzstaub und Gesundheitsschäden gearbeitet, um sich auf dieses Podium vorzubereiten. Sein Ziel ist klar: Den Zuhörern vor Ort und im Livestream “und allen, denen wir das Thema hier auf der Messe und danach vermitteln können”, belastbare Fakten an die Hand geben.
“In der Tat ist die Studienlage rund um das Thema Holzstaub sehr interessant”, erklärt er. “Angefangen hat es um 1960. In Großbritannien hat eine HNO-Ärztin festgestellt, dass bei ihren 17 Patienten mit dem sogenannten dass von ihren 17 Patienten mit einem sogenannten Nasenadenokarzinom, das ist eine Art von Nasenkrebs, 15 aus der Holzindustrie kamen. Das heißt, zu diesem Zeitpunkt wurde zum ersten Mal ein ganz klarer Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber Holzstaub und einer Krebserkrankung festgestellt. Das hatte zur Folge, dass 1995 eine der weltweit führenden Institutionen, wenn es um Krebsforschung geht, nämlich die IARC (International Agency for Research on Cancer), eine eigene Studie durchgeführt hat, in der sie zum einen die Wirkung von Holzstaub auf den Menschen auf den Menschen und, davon losgelöst, Formaldehyd und seine Wirkung auf den Menschen untersucht.” In dieser Studie wurde Holzstaub erstmals klar als karzinogen eingestuft: Holzstaub ist krebserregend für den Menschen.
Hartholz oder Weichholz? Krebserregend ist Holzstaub immer
Eine Studie der damaligen BG Holz aus den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, deren Fehler in der Methodik von der Fachliteratur heftigf kritisiert wurde, ist bis heute Grundlage für die Anerkennung von Nasenkrebs als Berufskrankheit – denn diese Studie schränkte die karzinogene Wirkung auf Hartholzstaub und dabei auf Eiche und Buche ein.
“Es gab 2003 eine Studie, die im Health Journal veröffentlicht wurde, die sich nur mit der Studie der BG Holz und deren Ergebnissen beschäftigt hat und auch feststellt, dass die Einschränkung zu sagen, es sind nur Hartholzstäube, die tatsächlich krebserregend sind, so nicht zulässig ist. Sie empfehlen, ich zitiere, den luxemburgischen, österreichischen und deutschen Behörden, die Verordnungen und die Richtwerte anzupassen und Holzstäube generell als krebserregend einzustufen”, was bis heute, 20 Jahre später, nicht geschehen ist.
Warum wir in modernen Gebäuden erst recht Staub reduzieren müssen
Moderne Industriekomplexe werden, darauf machte Sjoerd Gersoius aufmerksam, aus Energiespargründen sehr gut isoliert und “quasi luftdicht” gebaut – gut für den Energieverbrauch, weniger gut für die Staubkonzentration in der Luft. “Wir wissen, dass eine einfache Absaugung an der Entstehungsstelle des Staubes noch nicht ausreicht, um den Staub zu 100 % abzusaugen. Das ist sicherlich für die erste Maßnahme zwingend notwendig und auch richtig, aber es reicht noch nicht aus. Und je feiner der Staub ist, desto länger bleibt er auch in der Luft und sinkt nicht zu Boden. Das heißt, die Mitarbeiter atmen das permanent ein, und deswegen sollte man definitiv eine Messung durchführen und nach der Absaugung vor Ort, wo der Staub entsteht, noch zusätzliche technische Maßnahmen setzen,” so Gersonius.
“Ich verstehe die Unternehmer, dass man das im ersten Moment vielleicht nicht so gerne macht, weil man das nur mit Kosten in Verbindung bringt”, sagt Vogtmann, “aber ich kann Ihnen eines versichern, Arbeitsschutz und in diesem Fall auch der Schutz vor Holzstaub ist nicht nur eine Ausgabe, sondern es rechnet sich am Ende, denn ein kranker Mitarbeiter kostet ein Unternehmen viel mehr als eine einmalige Investition in eine technische Lösung, das heißt es macht auch wirtschaftlich einen ganz klaren Sinn.”
Gesundheitsrisiko Holzstaub ernstnehmen
Und letztlich geht es um Menschen und ihre Gesundheit. “Staubbelastung ist immer ungesund für den Menschen”, erklärt Vogtmann. “Stäube – je kleiner sie sind, desto tiefer dringen sie in den Körper ein, und sie sind oft die Vehikel für chemische Stoffe, die damit in den menschlichen Körper gelangen, die wiederum weitere Erkrankungen hervorrufen, und deshalb ist es ganz wichtig, dass ein Unternehmen erst einmal weiß, womit habe ich es bei mir in der Produktionshalle oder an meinem Standort überhaupt zu tun.
Wie hoch oder wie stark ist meine Staubbelastung? Welche Stäube habe ich und in welcher Größe? Das heißt, da kommt man gar nicht drum herum, dass man tatsächlich einmal professionell messen muss. Und das sollte man auch regelmäßig wiederholen, einmal im Jahr, zweimal im Jahr, um hier wirklich auf der sicheren Seite zu sein. Denn wir reden hier wirklich über ein Thema, das im allgemeinen Verständnis der Menschen noch nicht so angekommen ist, wie es eigentlich sein sollte. Denn Staub, und hier ist es auch für die LIGNA interessant, Holzstaub, ist für den Menschen hochgefährlich.”
Wie gefährlich? Vogtmann macht klar, dass es nicht nur um Krebs geht, sondern auch um Allergien, Atemwegserkrankungen und -schädigungen. “Wir haben Studien gehabt, die teilweise ein 27-fach erhöhtes Risiko nachweisen konnten, an Nasenkrebs zu erkranken. Es heißt da im Jahr 2017: In der univariaten Analyse wurde ein starker Anstieg des Risikos für Nasenadenokarzinome bei zunehmender kumulativer Exposition gegenüber Holzstaub beobachtet, wobei im höchsten Bereich ein 27-fach erhöhtes Risiko festgestellt wurde. Das heißt also, hier ist es ganz wichtig für ein Unternehmen, sich erst einmal zu öffnen und das zu akzeptieren und nicht so zu tun, als gäbe es das nicht.”
Vogtmann appelliert an die Regierung und die Behörden: “Es ist wirklich ein sehr ernst zu nehmendes Thema und es muss hier eine Reform stattfinden, weil die Grenzwerte hier in Deutschland absolut nicht akzeptabel sind und hier auf Kosten der Beschäftigten ein Risiko in Kauf genommen wird, das nicht sein müsste, weil wir heute ganz klar wissen, was von Staub oder auch von Holzstaub ausgeht, und es gibt keine Diskussion mehr darüber, ob Holzstaub krebserregend ist oder nicht, er ist krebserregend.”
Und an die Unternehmer: “Die Unternehmen müssen sich anders positionieren, wenn es um die Sicherheit gegenüber Holzstaub oder Staubexposition geht. Deshalb sind wir heute eigentlich hier, wir wollen die Menschen in den Betrieben, die Entscheidungsträger sensibilisieren, dass man gegen Feinstaub, gegen Holzstaub etwas unternehmen muss, das ist das Ziel.”
Zitierte Studien
- Siew SS, Martinsen JI, Kjaerheim K, Sparén P, Tryggvadottir L, Weiderpass E, Pukkala E. Occupational exposure to wood dust and risk of nasal and nasopharyngeal cancer: A case-control study among men in four nordic countries-With an emphasis on nasal adenocarcinoma. Int J Cancer. 2017 Dec 15;141(12):2430-2436. doi: 10.1002/ijc.31015. Epub 2017 Sep 8. PMID: 28840594.
- Alonso-Sardón M, Chamorro AJ, Hernández-García I, Iglesias-de-Sena H, Martín-Rodero H, Herrera C, Marcos M, Mirón-Canelo JA. Association between Occupational Exposure to Wood Dust and Cancer: A Systematic Review and Meta-Analysis. PLoS One. 2015 Jul 20;10(7):e0133024. doi: 10.1371/journal.pone.0133024. PMID: 26191795; PMCID: PMC4507857.
- Hancock DG, Langley ME, Chia KL, Woodman RJ, Shanahan EM. Wood dust exposure and lung cancer risk: a meta-analysis. Occup Environ Med. 2015 Dec;72(12):889-98. doi: 10.1136/oemed-2014-102722. Epub 2015 Sep 24. PMID: 26403531.
- Jansing PJ, Chanda R, Gore C, Küpper T. Profiles of occupational exposure in patients with wood dust-induced nasal carcinoma. Int J Occup Med Environ Health. 2003;16(4):329-35. PMID: 14964642.
- IARC Monographs on the Evaluation of Carcinogenic Risks to Humans, Volume 62, 1995